Sonntag, 1. Dezember 2013

"Boku wa kaze" - Kino-Film über Windkünstler Susumu Shingu jetzt auf DVD


Regisseur Thomas Riedelsheimer ist Kunst-Fans sicher noch von seinem nunmehr 10 Jahre alten Film "Rivers and Tides" in bester Erinnerung - ein genialer Film über den Land-Art-Künstler Andy Goldsworthy (unbeding ansehen!).

Für Japanfreunde umso erfreulicher, dass solch ein talentierter, mitunter kongenialer Kunst-Dokumentarist sich dem außergewöhnlichen Projekt "Breating Earth" von Susumu Shingu gewidmet hat. Der Film war im Januar in Hamburg für kurze Zeit in den Kinos zu sehen, aber die Pressearbeit war viel zu spät dran, so dass viele Interessierte den Film verpasst haben dürften (wir konnten auch erst zwei Tage vor Absetzen des Films empfehlen).

Einigen wird sicherlich noch der beeeindruckende Vortrag von Shingu über seine Arbeit an der Uni Harburg Anfang März 2012 in guter Erinnerung sein (einen Bericht über Shingu und seine Arbeiten sowie den Vortrag in Hamburg gibt es hier...).

Shingu zählt mit Mitte Siebzig zu den bedeutendsten Künstlern Japans, studierte ursprünglich Malerei, wandte sich im Rahmen seines Studiums in Italien dann aber der "kinetischen Kunst" zu, also dreidimensionalen Arbeiten, die sich bewegen und die neben der Bewegung die Dimensionen Licht, Klang sowie Zeit (ganz wichtig) in sich vereinen. Seinen internationalen Durchbruch verdankt er der Zusammenarbeit mit dem italienischen Star-Architekten Renzo Piano, der ihn beauftragte, Kunst für seine heute teilweise weltbekannten Gebäude, unter anderem in Tokio, zu entwerfen.

Der Film handelt von der Vision Shingus, die er seit dem Jahre 2009 verfolgt:

Unter "Breathing Earth" versteht er das Projekt eines Dorfes, das aus kuppelartig, organisch geformten Häusern besteht, die jeweils ein Windkunstwerk Shingus auf dem "Dach" haben und sich so mit Strom versorgen. Das Dorf soll alles in allem nachhaltig wirtschaften und autark sein (eigener Anbau von Lebensmitteln) und darüber hinaus auch dem Miteinander der Menschen und der Kunst Raum bieten (so zum Beispiel unter anderem ein Restaurant und ein Theater umfassen).

Zu schön, um wahr zu sein?

Vielleicht.

Shingu (der auch viele Kinderbücher verfasste) ist es wichtig, sich die staunende und unverstellte Sicht der Kinder auf die Welt zu bewahren. Das hat ihm in Zusammenhang mit "Breathing Earth" den Vorwurf des "Gutmenschentums" in der deutschen Presse eingebracht. Wer aber den Film sieht und seinen Vortrag gehört hat, wird meines Erachtens anders denken. Es geht dem Künstler um ein sinnvolles, nicht-entfremdetes Vermächtnis an die nächste Generation und darin ist er, zumindest meiner Meinung nach, zweifelsfrei glaubhaft.

Faszinierend ist für mich besonders, dass Shingu im Alter mit seiner Kunst nicht nur schöne Kunst produzieren will, der man wie einem Kaminfeuer einfach stundenlang zuschauen kann (und die auf ihre Weise - besonders an Flughäfen - sehr entspannend wirkt).

Er möchte nunmehr, dass seine Kunst sich nützlich macht vor dem Hintergrund eines leidenden Planeten, den wir im Schnellvorlauf zerstören. Er hat so seinen ganz eigenen Weg gefunden, Natur, Kunst und Technologie zu versöhnen und zu einer Einheit verschmelzen zu lassen. In dieser Hinsicht sind seine Arbeiten für mich vorbildlich (gerade auch im Hinblick auf die kommende Generation), auch wenn man mit dem Ansatz einer Kunst, die Hand in Hand mit Technik geht und den Prinzipien der Natur folgt sicherlich auch noch ganz andere Sachen machen könnte (wie zum Beispiel Santiago Calatrava und andere, deren Arbeiten weitaus "spektakulärer" sein mögen).

Der mitunter beschauliche Film visualisiert hier für meinen Geschmack sehr gut den Ansatz von Shingu und auch das Gefühl, das vom Menschen Susume Shingu ausgeht, wenn man ihn trifft.

Die Zuschauer sind dabei, wenn er um den gesamten Globus jettet - von Schottland, Mexiko, Türkei, Italien bis in's Ruhrgebiet (!!!), um einen geeigneten (ausreichend windigen!) Ort für sein Zukunfts-Dorf zu finden.

Zwischendrin ist auch immer wieder Zeit und Raum für Shingu, um seine Arbeiten zu erklären und seine eigene "Kunstphilosophie" zu entwickeln. Wer mit japanischem Denken ein wenig vertraut ist, wird gut verstehen, was er meint und es ist für mich einfach eine Lust mitanzusehen, wie er aus der Beobachtung einer unglaublich großen Horde von Schmetterlingen zu "lebensphilosophischen" Gedanken angeregt wird über das, was man die "Leere des Ego" nennen könnte bis hin zur Rolle des Menschen im Kosmos, ausgelöst durch seine seit Jahrzehnten durchgängig praktizierten Meditationen über seinen "alten Freund", den Wind.

Man mag das als "Küchenphilosophie" abtun, aber wenn man genauer hinhört und sich offenen Herzens ("naiv" wie die Kinder) darauf einlässt, ist es doch mitunter so wie mit manchem Zen-Gedanken: Nur vermeintlich banal, wer sich tiefer einlässt, entdeckt inspirierende Dimensionen...

Und - wie schaut's aus, ist das Projekt realisiert? Nein, das Projekt konnte bislang nicht verwirklicht werden, muss gezwungenermaßen in den Köpfen und Herzen des Publikums wirken... aber noch ist nicht aller Tage Abend.

Hamburg hat übrigens ganz speziell noch ein Projekt mit Shingu offen:

Nach dem Vortrag wünschten sich die Japanfreunde zum Glück nicht alleine, dass Hamburg eine Arbeit von Shingu im Hafen erhält (so wie beispielsweise Genua, wo Shingu ein geniales Segel in Gedenken an Kolumbus erschuf). Der damalige Konsul setzte sich aktiv für eine Plastik von Shingu in Hamburg ein, ein kleines Kommitee wurde gebildet, die Sache scheint aber derzeit eingeschlafen zu sein. Wollen wir hoffen, dass es mit einer Arbeit von Shingu in Hamburg noch klappt - die Hafencity böte hier geniale Aufstellungsorte.

Schaut also den Film mal an, je mehr Unterstützer eines solchen Projekts einer Plastik von Shingu in Hamburg findet, desto höher die Chance der Realisierung eines solchen Projekts (Vorsicht: Der Künstler ist nicht mehr der Jüngste).

Abschließend daher noch ein Tipp für alle, die Nutzer der Hamburger Bücherhallen sind: Die DVD findet ihr in der Kunst-Abteilung.

Please enjoy!



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