Während die einen glauben, dass man vermeintlich nur mit dem „Zweiten“ gut sieht, gilt in der Kunst dagegen nur allzu oft: Man sieht nur, was man weiss. Vor vollem Haus gab am Dienstag, dem 25. Oktober, Dr. Gabriele Himmelmann in der Glinder Kupfermühle den sehr interessierten Zuhörern Gelegenheit, mehr über die vielfältigen Einflüsse japanischer Künstler auf bedeutende europäische Künstlerpersönlichkeiten des 19. Jahrhunderts zu erfahren. Ein so spannendes wie umfangreiches Thema!
Die Referentin gab gleich zu Anfang ihres Vortrags unumwunden zu, keine Fachfrau für japanische Kunst zu sein, was sich vor allem an der fehlerhaften Aussprache der Namen japanischer Künstler und kleineren Ungenauigkeiten bemerkbar machte. Ihre Parallelen zwischen japanischer und europäischer Kunst, die sie fast ausschließlich auf ausgewählte französische Arbeiten eingrenzte, blieben daher überwiegend allgemeiner Art. Gleichwohl waren die aufgezeigten Spuren japanischer Künstler in den gezeigten Bildern aber dennoch für die Zuhörer sehr erhellend und selbst höchst bekannte Arbeiten wie z.B. van Goghs „Selbstporträt mit abgeschnittenem Ohr“ (1889) dürfte die Mehrzahl der Zuhörer hinterher wohl mit anderen Augen gesehen haben.
Zunächst gab Frau Dr. Himmelmann einen gelungen gerafften Schnell-Überblick über die historische Entwicklung Japans von seiner selbstgewählten Isolation bis hin zu seiner erzwungenen Öffnung in der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem anschließenden Durchbruch der „Japan-Mode“ im Rahmen der Weltausstellungen in Paris und London.
Die Referentin gab gleich zu Anfang ihres Vortrags unumwunden zu, keine Fachfrau für japanische Kunst zu sein, was sich vor allem an der fehlerhaften Aussprache der Namen japanischer Künstler und kleineren Ungenauigkeiten bemerkbar machte. Ihre Parallelen zwischen japanischer und europäischer Kunst, die sie fast ausschließlich auf ausgewählte französische Arbeiten eingrenzte, blieben daher überwiegend allgemeiner Art. Gleichwohl waren die aufgezeigten Spuren japanischer Künstler in den gezeigten Bildern aber dennoch für die Zuhörer sehr erhellend und selbst höchst bekannte Arbeiten wie z.B. van Goghs „Selbstporträt mit abgeschnittenem Ohr“ (1889) dürfte die Mehrzahl der Zuhörer hinterher wohl mit anderen Augen gesehen haben.
Zunächst gab Frau Dr. Himmelmann einen gelungen gerafften Schnell-Überblick über die historische Entwicklung Japans von seiner selbstgewählten Isolation bis hin zu seiner erzwungenen Öffnung in der Mitte des 19. Jahrhunderts und dem anschließenden Durchbruch der „Japan-Mode“ im Rahmen der Weltausstellungen in Paris und London.
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Auch wenn sich das Publikum hier vielleicht mehr Bildmaterial gewünscht hätte, wurde - heutigen Moden gar nicht unähnlich - anschaulich, welche Formen die „Japan-Mode“ des 19. Jahrhunderts annahm - von japanischer Kleidung über Keramiken, den unvermeidlichen Wandschirmen und Fächern bis hin zu Holzschnitten (die zuerst als Einwickelpapier den Weg nach Europa fanden) und dem Gartenbau. Dieses „Kitsch-Japan“ fand sehr bald auch Niederschlag in aus heutiger Sicht dennoch sehr interessanten zeitgenössischen Gemälden, die die Japan-Verrücktheit der Zeit häufig auch in einem ironisch-humoristischen Licht wiedergaben.
Obwohl keine Expertin für japanische Kunst, konnte die Kunsthistorikerin dennoch vollkommen richtig anhand sehr anschaulicher Beispiele exemplarisch darlegen, welche ganz anderen Bildauffassungen und Kompositionstechniken in japanischen Holzschnitten zu sehen sind, die der europäischen Tradition bis dato fremd waren, wie etwa gewagte Bild-Anschnitte, das Fehlen einer Fernperspektive, die Silhouettenhaftigkeit der Figuren, das Fehlen von Schatten, das Schichten der einzelnen Bildelemente, das vermehrte Arbeiten mit pars pro toto-Effekten, welche allesamt auf eine Ornamentierung der Bilder hinausliefen.
Doch nicht nur Bildgestaltungsverfahren, auch bestimmte Motive wie Berge oder Brücken wurden von europäischen Künstlern der Zeit exzessiv übernommen. Viele der heute berühmtesten Künstler des 19. Jahrhunderts verfügten über umfangreiche Sammlung japanischer Holzschnitte, die sie für die Entstehung eigener Werke nutzten.
Dr. Himmelmann traf bereits an dieser Stelle die wichtige Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Richtungen der damaligen Japan-Rezeption: Die eine sammelte lediglich japanische Versatzstücke, weil es schick war, ohne sich um ein tieferes Verständnis der japanischen Kultur zu bemühen, weshalb sich der Begriff „anekdotischer Japonismus“ anbietet. Die andere Richtung, und hierauf richtete die Referentin im Folgenden ihr Augenmerk, ging jedoch über das modische Zitat hinaus und versuchte, einen eigenen Stil zu finden unter Einbeziehung der japanischen Einflüsse, sich die fremden Elemente also anzuverwandeln - ein Vorgehen, das seinerseits bis heute als sehr japanisch gelten kann.
Insbesondere anhand ausgewählter Arbeiten von Monet und van Gogh konnte die Kunstgeschichtlerin zeigen, dass - formal betrachtet - hier zwar typisch japanische Bildgestaltungsweisen zur Anwendung kamen (wie z.B. die Schichtung der einzelnen Bildelemente im Raum, die Reduzierung von Raum und Schatten, das Flächigerwerden der Bilder, mitunter drastisch zugespitzte Gebärden und Gesichtsausdrücke, die Silhouettenhaftigkeit oder auch dynamische Bildausschnitte sowie ungewöhnliche Fluchtpunkte), diese Bildgestaltungsweisen aber so eingesetzt wurden, dass ein eigener Stil („ein typischer Monet“, ein „typischer van Gogh“) dabei herauskamen. Dr. Himmelmann machte aber am Beispiel van Goghs auch deutlich, dass dieser eigene Stil, der auf selbständige Weise japanische Einflüsse verarbeitete, Ergebnis eines langen, künstlerisch höchst herausfordernden Arbeitsweges war.
Die Referentin versuchte darüber hinaus auch inhaltliche Parallelen zu finden, etwa in der häufig auch bei den gezeigten europäischen Arbeiten deutlichen Serialität der Bilder oder in der Darstellung der „flüchtigen“, höchst vergänglichen Welt der Vergnügungsviertel, was besonders bei den Arbeiten Toulouse-Lautrecs augenfällig wurde (siehe Bild "La Goulue").
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"La Goulue" |
Aus japanischer Sicht ist allerdings fraglich, ob es über diese mehr oberflächlichen Entsprechungen hinaus Ähnlichkeiten in der Auffassung der dargestellten Vergänglichkeit gibt, insbesondere hinsichtlich der kulturellen und spirituellen Wurzeln dieser Auffassung.
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"Blick auf Arles" |
Auch wenn hier die Analogien manchmal sehr breit ausfielen, lohnte es sich dennoch, sich über diesen Aspekt der Arbeiten einmal nähere Gedanken zu machen, konnte Dr. Himmelmann doch anhand der Deutungen der Gemälde van Goghs am Beispiel des „Blick auf Arles“ überzeugend darlegen, dass manche psychologisierende Interpretation der Arbeiten zu falschen Schlüssen führt, weil der japanische Einfluss auf die Arbeiten van Goghs den Interpreten schlicht und ergreifend nicht bekannt ist. Hier erlebten die Zuhörer einen echten Höhepunkt der Darstellung, denn sie konnten mit eigenen Augen im Sinne eines „vorher-nachher“-Effekts nachvollziehen, dass dieses Wissen zu einer gründlich anderen Sichtweise dieser Bilder führt. Manche Personen des Publikums waren überrascht und konnten jetzt erstmals im Hintergrund des van Gogh-Selbstporträts „Selbstbildnis mit abgeschnittenem Ohr“ deutlich einen japanischen Holzschnitt ausmachen. Eigentlich nicht zu übersehen - wenn man es weiss.
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"Selbstporträt mit abgeschnittenem Ohr |
Insgesamt also ein spannender wie erhellender Vortrag vor einem ungewöhnlich kompetenten Publikum, wie die Nachfragen z.B. nach Einflüssen auf bestimmte andere europäische Künstler aus Deutschland und England oder die Rolle der Umrandungen auf den Arbeiten zeigte. Schade lediglich, dass die Mehrzahl der Bildbeispiele allzu bekannt für die offensichtlich mit sehr guten Vorkenntnissen ausgestatte Zuhörerschaft war und dem Hunger des Publikums nach mehr Bildbeispielen nicht mehr „Futter“ gegeben wurde.