Mittwoch, 7. Dezember 2011

Kaiserliche Ehrung für Hamburger Budo-Gründer

Man kann es sich in diesen Krisenzeiten, in denen es nur um Einsparungen, Kürzungen und den Abbau von Infrastrukturen geht - und in denen wir uns auf dem Weg zur Arbeit seit nunmehr drei Jahren(!) selbst in Nobel-Stadtteilen Tag für Tag über die immer gleichen Schlaglöcher hinwegquälen - kaum vorstellen, dass es einmal eine Zeit gab, in der noch etwas dauerhaft Wertvolles aufgebaut wurde. Das Alster Dojo ist solch ein besonderer Ort in Hamburg und selbst wer als Hamburger Kampfsportler einem anderen Dojo angehört wird gerne neidlos und voller Anerkennung zugeben, dass dieses Juwel unter den Hamburger Kampfsport-Orten wohl der schönste und "japanischste" Ort in Hamburg ist, um traditionelle japanische Kampfkünste wie Iaido, Kendo, Sojutsu oder Kyudo zu üben.

Zu verdanken hat dies die Hansestadt einem Wahlhamburger, der sich weit über die Grenzen Hamburgs hinaus um die traditionellen japanischen Kampfkünste verdient gemacht hat. Feliks Hoff gründete zunächst 1969 Hamburgs erste Kyudo-Gruppe und war lange Jahre
in leitender Position in wichtigen Verbänden tätig, wobei Hoff beispielsweise nicht nur Präsident des deutschen Kyudo-Bundes war und dessen Ehrenpräsident ist, sondern auch hier zu den Gründern und "Motoren" zählte. Heute darf dieser Verband mit Stolz feststellen, der mitgliederstärkste Verband außerhalb Japans zu sein. Neben beeindruckenden Erfolgen bei nationalen und internationalen Wettbewerben, darunter dem Weltmeistertitel in der Kategorie der Kyudo-Lehrer im vergangenen Jahr, durfte sich der frühere Bundestrainer auch über eine Nominierung zu Hamburgs "Sportler des Jahres" freuen. Doch nicht nur für Kyudo, auch für das Iaido hat Hoff-sensei viel getan, darunter als mehrfacher Buchautor.


Freunde des japanischen Gartens in Planten un Blomen erinnern sich immer wieder gerne der beeindruckenden, stimmungsvollen Vorführungen des Alster Dojos rund um das japanische Teehaus. Vor "stilechter" Kulisse zeigte der Verein mehrfach im Sommer Kyudo, eine Gruppenvorführung Iaido und Kendo sowie den äußerst selten zu sehenden japanischen Speerkampf. Das Alster Dojo, dessen Präsident Hoff bis heute ist, wurde so über die Jahrzehnte zu einer kontinuierlichen Anlaufstelle für Kampfkunst-Begeisterte und dank seiner internationalen Ausrichtung eine der wichtigsten Brücken zwischen Hamburg und Japan. Im Gegensatz zu manchen Renommiersüchtigen, die sich gerne auf Steuerzahlerkosten bei Senatsempfängen bewirten lassen und außer dem Verzehr japanischer Spezialitäten wenig für die hamburgisch-japanische Freundschaft tun, erweist sich gerade in Zeiten einer wechselhaften, krisengebeutelten Wirtschaftslage die Hamburger Budo-Szene als dauerhafter Garant deutsch-japanischer Freundschaft.

Um die nunmehr vier Jahrzehnte andauernden Verdienste Hoffs zu ehren, wird ihm am 13. Dezember im Rahmen einer Zeremonie in der Handelskammer im Namen des japanischen Kaisers Akihito der Orden der "aufgehenden Sonne, goldene Strahlen mit Rosette" durch Generalkonsul Setsuo Kosaka verliehen (siehe auch unseren Veranstaltungskalender). Dabei sollen passenderweise auch einige japanische Kampfsportarten vorgeführt werden.

Wir gratulieren von Herzen!

Und hier geht's zum Alster Dojo e.V.: http://alster-dojo.dnsdojo.org/
Wer bei der Verleihung noch mit dabei sein möchte, wende sich bitte an das japanische Generalkonsulat: http://www.hamburg.emb-japan.go.jp/

Dienstag, 6. Dezember 2011

Zurück zur "Normalität"?

Tempus fugit - es will wie gestern scheinen, als der Japanisch-Deutsche Stadtteildialog auf ein dutzend Jahre zurückblicken konnte, doch in diesem Jahr am 18. und 19. November hatte die Initiative bereits Grund, ihr 20-jähriges Bestehen zu feiern. Und zwar gründlich: In Kooperation mit der Universität Hamburg, der "Motte" e.V. und dem Stadtteilarchiv Ottensen wurde ein spannendes und informatives Jubiläumsprogramm präsentiert, das neben hochkarätigen Vorträgen sowie Berichten über die Lage in Japan auch Podiumsdiskussionen und Dokumentarfilm-Vorführungen enthielt.

Zu den Höhepunkten unter den Veranstaltungen zählte zweifellos der lebhafte Vortrag des in Japan stark bürgerengagierten Professors für Kommunikationsdesign an der Universität Osaka Shigekazu Morikuri.


Er setzte bei dem Versuch, die Frage zu beantworten, inwiefern Japan von der Katastrophe zur Normalität zurückgekehrt sei, das Wort Normalität bewusst in Anführungszeichen. Er ließ keinen Zweifel daran, dass Japan traditionell ein Katastrophenland sei und beklagte die Katastrophenvergessenheit seines Landes - trotz der eigenen häufigen, traumatisch erlittenen Katastrophen herrschte seiner Auffassung nach der Glaube vor, ein Ereignis wie das Reaktorunglück in Tschernobyl könne in Japan nicht passieren. Er stellte in diesem Zusammenhang viele kritische Fragen, etwa bezüglich der Nachlässigkeit von Verantwortlichen, übertriebener Zuversicht in der Bevölkerung, dem Glauben an die Technik und an die Effektivität der vorhandenen Rettungseinrichtungen. Dabei wartete Morikuri-sensei mit vielen eindringlichen Beispielen auf und nannte unter anderem Fischfabriken, die unter Meeresspiegel-Niveau gebaut wurden oder Gebäude, die lediglich einstöckig errichtet wurden, obwohl bereits der Ortsname des betroffenen Gebietes auf Tsunamis verwies.

Weiten Raum nahmen Erklärungen und Vergleiche zwischen dem Wiederaufbau der Stadt Kobe nach dem bekannten, verheerenden Erdbeben und den Chancen eines Wiederaufbaus der im März zerstörten Regionen ein. Er berichtete dabei ebenso von seinem eigenen, für die Zuhörer sicherlich lehrreichen Engagement. Auch heute geht es wieder darum, ein tragfähiges Konzept für den Wiederaufbau zu entwickeln. Hier baut Professor Morikuri insbesondere auf Netzwerke und Verbindungen zu anderen Städten, wobei Hamburg gleichermaßen eine wichtige Rolle spielt. Kurz schilderte er seine aktuelle Vision einer kommunikativeren Stadt ohne Autos (die seiner Ansicht nach die Kommunikation unterbinden), somit einer Stadt, die zu Fuß erfahren werden kann und in der Menschen wieder einander näher kommen.

Denn eine veränderte Infrastruktur stellt für ihn eine absolute Notwendigkeit dar. Bei diesen Planungen sollen nunmehr vor allem die betroffenen Bürger einbezogen werden und er glaubt: "Wir müssen aus den Erfahrungen der Katastrophe heraus eine neue Kultur entwickeln!"

Seiner Ansicht nach wird das bisherige System, das die gefährliche Erzeugung von Energie in ländliche Gebiete abschob, um weiterhin verschwenderisch mit Energie umgehen zu können, keinen Bestand haben können. In diesem Zusammenhang sparte er nicht mit Kritik: Seiner Erfahrung zufolge wird die Meinung der japanischen Öffentlichkeit gezielt manipuliert, beispielsweise durch die Veröffentlichung von e-mails angeblich "echter" Befürworter einer Wiederinbetriebnahme von Kernkraftwerken, die in der Öffentlichkeit lanciert wurden - sprich: das ganze Arsenal des viralen Marketings im Zeitalter des web 2.0 wurde hier mutmaßlich zur Manipulation der öffentlichen Meinung durch mächtige und kapitalstarke Energieversorger eingesetzt.  


Professor Morikuri fand auch deutliche Worte zum Verhalten von Stromversorgern die versuchten, eine mögliche Bürgerbeteiligung bei der Umgestaltung Japans dadurch von vornherein zu unterbinden, dass einfach die notwendigen Zahlen, z.B. bezüglich der durch die Bevölkerung freiwillig eingesparten Energie, nicht veröffentlicht werden.

Nunmehr sei der Ausstieg Japans aus der Atomkraft bis zum Jahre 2050 geplant und es würden keine neuen Atomkraftwerke gebaut. Morikuri-sensei zeigte sich fest davon überzeugt, dass die japanische Bevölkerung den Weg zu einem Leben ohne Atomstrom erfolgreich finden werde und berichtete abschließend von den Bemühungen Osakas, die von der März-Katastrophe betroffenen Regionen zu unterstützen. Beeindruckend war ebenfalls seine Nachricht von rund 200 Foren in Osaka, die sich unter Beteiligung der Bürger gegründet hätten, um die Stadt vor zukünftigen Katastrophen zu schützen.

Professor Morikuri konnte in diesem Zusammenhang letztlich einen ermutigenden Ausblick geben: Er verwies auf einen zunehmenden Wertewandel in der Bevölkerung, der die Menschen weg führe vom reinen Konsumenten und sie sich an Gemeinschaftlichkeit und Nachhaltigkeit orientieren lasse. Immer weniger Bürger wollen offenbar von den derzeitigen Energieerzeugern abhängig sein. Menschen beginnen seiner Auffassung nach, Stadtentwicklung als ihr höchsteigenes Problem aufzufassen, sich einzubringen und veranlassen die Bürger dazu, sich füreinander zu engagieren. 

Abschließend berichtete Michael Wendt vom Verein "Motte" vor diesem Hintergrund über die deutsche Anti-Atomkraftbewegung sowie die Gründe und Motive für ihre nunmehr vierzigjährige Existenz. Wie in diesem Dialog deutlich wurde, wird es noch viel bürgerlichen Engagements bedürfen, wenn sowohl die deutsche als auch die japanische Gesellschaft fit für die Zukunft gemacht werden soll, aber - zumindest hinsichtlich des Engagements der Bevölkerung - leuchtet der Silberstreif am Horizont derzeit immer heller... in beiden Ländern.

Übrigens: Wer noch einen schönen Kalender für das kommende Jahr gebrauchen kann und mit dem Kauf auch noch die Tsunami- und Erdbebenopfer unterstützen möchte, der wende sich an den Stadtteildialog unter www.stadtteildialog-japan.de.